Woher kommen wir?

Veröffentlicht am: 03.01.22 | 9 Kommentare

Zum Thema «Schöpfungsbericht»

Professor Schmid, Spezialist für Altes Testament,

zeigt im Interview auf den Seiten 4/5 hochinteressante Aspekte auf. Mir leuchtet unmittelbar ein, wie es zu der 7-Tage-Erzählung gekommen ist. Auch der Zusammenhang zwischen der Gottebenbildlichkeit des Menschen und der daraus resultierenden Individualisierung ist sehr aufschlussreich. Gerne übernehme ich den Hinweis, dass die grundsätzliche Hochschätzung, die allen Menschen dank dieser Idee gegeben wurde, eine der grössten geistesgeschichtlichen Entdeckungen der Bibel sei. So wurde enorm vieles, das unsere Kultur nachhaltig prägte, offensichtlich durch die Gottesvorstellungen jener Zeit im alten Israel initiiert. Grossartig, wie fortschrittlich die Menschen damals dachten!

Und doch bleibt bei mir eine grosse Irritation zurück. Nach der Lektüre des Interviews weiss ich nämlich eines nicht mehr:

Hat Gott den Menschen erfunden oder hat der Mensch Gott erfunden?

Anders gefragt:

Hat Gott den Menschen erschaffen oder hat der Mensch Gott erschaffen?

Dabei ist es für mich völlig irrelevant, ob es sich um 14 Milliarden Jahre handelte oder um sieben Tage. Ehrlich gesagt sehe ich überhaupt keinen Grund, die 7-Tage-Erzählung wortwörtlich zu glauben. Und was spricht dagegen, dass Gott allenfalls sein Schöpfung-Experiment per Urknall startete?

Rolf Kühni

 

 

 

 

 

Geschrieben von Friederike Herbrechtsmeier


9 Kommentare zu “Woher kommen wir?”

  1. Grüezi,
    der Bericht «Schöpfungsbericht» im Kirchenbote 01/22 ist für mich hochinteressant. Es müsste doch viele Christen interessieren «woher kommen wir»….Warum hört man in den sonntäglichen Gottesdiensten nicht mehr über dieses Thema ? Warum werden in der Kirche keine modernen Visualisierungsmittel eingesetzt ? Man ist sozusagen stehen geblieben bei Beschallungsanlagen (für Hör-Handicapierte). Mit freundlichen Grüßen Ueli Müller, Balgach

    1. Friederike Herbrechtsmeier sagt:

      Lieber Herr Müller,
      zufälligerweise findet morgen in Gossau in der ref. Kirche auf dem Haldenbüel genau zu unserem Thema «Woher kommen wir» ein Gottesdienst – wie Sie es ansprachen – mit moderner Visualisierungstechnik statt. Unter dem Label «Pop uP! » mit modernen Liedern, die von einem kleinen Chor begleitet werden. Pfarrer Christian Bernhard wird zu dem Thema die Predigt halten.
      Der Gottesdienst wird auch live (www.ref-gossau.ch/live) übertragen oder kann zu einem späteren Zeitpunkt über den Podcast (www.ref-gossau.ch/podcast) angeschaut werden.
      Vielleicht interessiert Sie es – gute Wünsche für
      das neue Jahr nach Balgach

  2. Hansjakob Eggenberger sagt:

    Guten Tag, ich (47) bin reformiert aufgewachsen. Mich hat es richtig gepackt, als ich letztes Jahr das Buch von Armin Risi gelesen habe: «Ihr seid Lichtwesen». Er sagt, dass es neben Evolutionstheorie und Kreationisten noch eine weitere Vorstellung der Menschwerdung gibt: die Involution. Sie schliesst Jesus als Sohn Gottes nicht aus… die Kirche muss aber die eine oder andere Feder lassen. Das wirklich herausragende an seiner Darstellung ist die unendliche und ewige Grösse Gottes und die unendliche und ewige Grösse seiner Gnade. Persönlich meine ich, das es vielleicht die grösste Herausforderung als Mensch ist, diese Gnade annehmen zu können und gleichzeitig alte Vorstellungen aufzulösen.

  3. Roland Hanselmann sagt:

    Ich möchte eine weitere Interpretation zum biblischen Schöpfungsbericht hinzufügen, die vielleicht dazu führt, dass die unselige Debatte über die Weltentstehung zwischen Bibeltreuen (Kreationisten) und Naturwissenschaftlern an ein Ende kommt.
    Es gibt, wenn man es genau betrachtet, zwei unterschiedliche Weltentstehungen. Die eine könnte man als objektive Variante und die andere als subjektive Variante bezeichnen.
    Die von der Naturwissenschaft gestützte, „objektive“ Version der Weltentstehung baut auf den Erkenntnissen der Kosmologie (Urknall Theorie) und der Biologie (Evolution des Lebens) auf.
    Den wenigsten ist aber bewusst, dass es noch eine weitere Weltentstehung gibt. Ich halte sie auch für wissenschaftlich, obschon sie noch recht wenig erforscht ist. Sie ist subjektiv, weil sie zum Erleben jedes Menschen gehört.
    Niemand wird im Ernst bestreiten können, dass das was wir von der Welt erfahren über unsere Sinnesorgane ins Bewusstsein kommt. Im Verlaufe unserer Menschwerdung entsteht in unserem Kopf das, was wir für die reale Welt halten. Auch wird niemand bezweifeln, dass am Anfang unseres Lebens die befruchtete Eizelle in der Gebärmutter nicht das Geringste von dieser Welt weiss. Aber dieses Weltwissen wird aufgebaut. Während wir unsere Kinder beim Aufwachsen begleiten, staunen wir, wie vollständig schon das Bild der Welt in den ersten Jahren ist, und wie geschickt schon ein Dreijähriger damit umzugehen weiss.
    Der grösste Teil dieser Weltentstehung geschieht wohl in den Wochen vor und nach der Geburt. Die Entwicklung dieses Weltbildes entzieht sich leider unserer bewussten Erinnerung. Der Schluss liegt aber nahe, dass in der Intuition des Einzelnen etwas davon hängen geblieben ist.
    Vergleiche ich diese Weltentstehung mit dem Schöpfungsbericht, dann liegt sie wesentlich näher, als die Erzählung vom Urknall und der Evolution. Es gibt unübersehbare Parallelen.
    Die Weltwerdung vollzieht sich in einer überschaubarer Zeit, nicht in Millionen von Jahren.
    Die Vorwelt in der Gebärmutter steht am Anfang der Entwicklung. Der Embryo schwimmt in einer Ursuppe. Viel gibt es da wohl nicht zu sehen, ausser einem Wechsel von hell und dunkel. Die Stimmen der Menschen im Umfeld der Mutter sind nur Geräusche, die wenig Sinn ergeben. Aber er ist rundum versorgt, und es muss sich wie ein Paradies angefühlt haben.
    Sobald alle lebenswichtigen Organe funktionstüchtig sind, wird er als Säugling unfreiwillig in die „reale“ Welt geschoben, in welcher er „im Schweisse seines Angesichts“ für sein Überleben sorgen muss. Ein Zurück gibt es nicht. Er beginnt zu begreifen, was alle diese Wesen und Dinge für eine Bedeutung für sein Überleben haben. Zusammen mit ihm wächst auch seine Vorstellung der Welt.
    Die Rolle von Adam und Eva, den ersten Menschen im Schöpfungsbericht, übernehmen in der Welt des Säuglings Mama und Papa.
    Nach solchen Überlegungen kann ich auch nachvollziehen, wieso die Kreationisten so überzeugt sind von der Richtigkeit der Schöpfungsgeschichte in der Bibel. Die Überzeugung hat ihren Ursprung in der Intuition, oder anders formuliert, in der im Unbewussten versunkenen Erfahrung, die jeder von uns am Anfang seines Lebens gemacht hat.
    Ich zweifle nicht an der Ernsthaftigkeit jenes Autoren, der in biblischer Vorzeit die Schöpfungsgeschichte zum ersten Mal niedergeschrieben hat. Ich kann mir auch nicht vorstellen, dass er die Absicht hatte, einen Mythos in die Welt zu setzen. Er baute auf dem auf, was ihm von den Urvätern an Überlieferung zur Verfügung gestanden hat, und hat wohl allfällige Lücken mit seiner Intuition geschlossen.
    Noch weiss die Wissenschaft nicht im Detail, in welchen Schritten sich das Abbild der Welt im Kopfe des werdenden Menschen aufbaut. Bei dieser Erforschung wäre es keine schlechte Idee, sich von der Schöpfungsgeschichte der Bibel inspirieren zu lassen.

    1. Rolf Kühni sagt:

      Ich stelle eine ganz einfache Frage: Könnte es sein, dass es sich bei GAR ALLEN Erklärungen zur Weltentstehung aus dem Nichts letztlich um Modelle handelt, mit denen das Nichterklärbare erklärt werden soll – und zwar ob es sich um die Urknall-Theorie oder um den 7-Tage-Rhythmus oder um um die Geschichte aus dem 2. Kapitel vom 1. Buch Mose handelt … Keine Frage ist es für mich indes, dass – was auch immer wie verstanden und begrifflich erklärt werden soll – die These «Ohne-Gott» haltlos ist.

      1. Roland Hanselmann sagt:

        Lieber Herr Kühni
        Dass es sich bei „gar allen“ Erklärungen der Weltentstehung um Modelle handelt, ist auch für mich unbestritten. Es liegt wohl in der Natur des Menschen, sich von allem, was ihn umgibt ein Modell zu machen, um die Welt und die Mit-Menschen besser zu verstehen und besser damit klar zu kommen. Allerdings möchte ich die Qualität eines Modells nicht daran messen, ob es sich um eine These“ Ohne-Gott“ oder „Mit-Gott“ handelt.
        Was die Güte eines Modells ausmacht, lässt sich z.B. am Weltmodell, das heisst an der Vorstellung, wie das Universum aufgebaut ist, gut beobachten.

        In biblischen Zeiten hat man die Erde als eine Scheibe gesehen, auf welcher das Land liegt, umspült auf allen Seiten von Meeren. Darüber wölbt sich eine Glocke, auf welcher sich alle Gestirne tummeln (Babylonisches Weltmodell).

        Schon die alten Griechen haben realisiert, dass die Erde eine Kugel sein muss, und sind sogar imstande gewesen, eine ungefähre Angabe über deren Umfang zu machen. Daraus hat sich nach Christi Geburt das Ptolemäische Weltbild entwickelt. Darin wird die Erdkugel von acht transparenten Sphären umschlossen, wobei jede Sphäre eigene Himmelskörper trägt (Mond, Sonne, alle Planeten, Fixsterne). Dieses Modell hat sich so gut bewährt, dass es über 1500 Jahre gegolten hat. Sogar die katholische Kirche hat sich damit abgefunden, nachdem sie noch eine neunte und äusserste Sphäre dazu gefügt hat, jene auf welcher Gott seine Heimat hat (Geozentrisches Weltmodell).

        In der Renaissance ist es Kopernikus gewesen, der die Sonne anstelle der Erde ins Zentrum der Welt gestellt hat. Johannes Kepler hat das kopernikanische Weltbild weiter verfeinert und hat die Bewegung der Himmelskörper mit noch heute gültigen mathematischen Formeln beschreiben können (Heliozentrisches Weltmodell). Damit ist es möglich geworden, die Position Gestirne mit hoher Präzision vorauszusagen.

        Als Schluss aus dieser Geschichte gilt für mich, dass solche Modelle einem ständigen Wandel unterworfen sind, und dass die Qualität daran gemessen wird, wie gut ein Modell Vorgänge aus der Vergangenheit erklären und brauchbare Prognosen für die Zukunft liefern kann. Hätten sich die Amerikaner bei der Marsmission auf das geozentrische Modell gestützt, hätten sie den Zielplaneten mit Sicherheit verfehlt.

        Wollte ich nun ihre Wertung übernehmen, dann wäre das geozentrische Modell immer noch das einzig richtige, weil darin auch Gott vorkommt, oder anders gesagt, weil es die einzige „Mit-Gott“ These ist.
        Für mich sind alle Modelle „Mit-Gott“ Thesen, das aber in einem ganz anderen Sinne. In Anlehnung an eine Aussage, die Sie als Einführung in diesen Blog gemacht haben, möchte ich fragen: „Was spricht dagegen, dass Gott seinen Schöpfungsakt per Evolution begonnen hat und auch heute noch weiterführt?“
        Das Wissen über die Evolution (auch ein Modell !) wird ständig vertieft. Nicht nur der Wandel der Arten (Darwin) ist den evolutionären Prozessen unterworfen, sondern auch die Geisteswelt der Menschen. Modelle sind dabei fast wie lebende Wesen, sie werden geboren, pflanzen sich fort, bewähren sich oder sterben aus. Modelle sind von Gott gewollt, weil sie, genauso wie wir selbst und alles, was wir tun und erleben, Teil der Schöpfung sind.

        Noch ein Letztes: Hätten Sie anstatt, dass Thesen „Ohne-Gott“ haltlos sind, gesagt, dass Menschen mit einer „Ohne-Gott“ Auffassung haltlos sind, dann wären wir uns in diesem Punkt auch einig.

  4. Marcel Ammann sagt:

    Jesus geht ganz selbstverständlich davon aus, dass Gott die Menschen zu Beginn der Schöpfung geschaffen hat (Markus 10,6).
    Er nutzt diese Tatsache sogar, um die Entscheidung einer Lehrfrage zu begründen. (Es wäre wohl wenig überzueugend, wenn er nicht selber an eine Schöpfung glauben würde – ich berufe mich auch nicht auf den «Mann im Mond» oder auf «Hänsel und Gretel», um eine wichtige Frage zu klären.

    Vielleicht müssten wir uns und die vorherrschende Meinung der Naturwissenschaften mit mehr Distanz betrachten. Persönlich stelle ich fest: Je mehr ich Gottes Allmacht zutraue, umso denkbarer und damit glaubhafter wird auch eine biblische Schöpfungsgeschichte. Darum bemühe ich mich darum, ihn durch Jesus Christus besser kennen zu lernen.
    In der Bibel heisst es dazu: «Durch den Glauben erkennen wir, dass die Welt durch Gottes Wort geschaffen ist, dass alles, was man sieht, aus nichts geworden ist.» (Hebräerbrief 11,3)

  5. Friederike Herbrechtsmeier sagt:

    Lieber Herr Ammann,
    spannend Ihr Gedanke – je mehr ich Gottes Allmacht zutraue, umso denkbarer die biblische Schöpfungsgeschichte.
    Auch das Zitat aus dem Hebräerbrief «alles, was man sieht – aus nichts geworden»….
    Der erste Teil ist mir klar -aber das zweite – meinen Sie konkret die beiden jahwistischen und priesterschriftlichen Schöpfungsberichte oder eher grundsätzlich, dass Gott uns Menschen und die ganze Welt mitsamt allen Tieren und Pflanzen erschaffen hat?

  6. Emil sagt:

    Auf „Woher kommen wir“ folgte gleich die nächste Frage: „Wohin gehen wir?“ Ja, wer bin ich in diesem Universum mit Tausenden von Milliarden von Galaxien, mit Tausenden von Milliarden Sternen. Was sollen die paar Jahrzehnte meines Lebens in diesem zeitlosen Geschehen?

    Und damit tauchte auch die Frage nach einer Gottheit auf, soll ich glauben, Ja oder Nein? Da bin ich vorsichtig gestartet und hielt mich an den Ratschlag Vivekananda`s: Blosses Gerede über Religion und ihre Verwirklichung sind zwei grundverschiedene Dinge. Theorien und philosophische Systeme, Diskussionen und Bücher, Kirchen und Sekten erfüllen ihren Zweck, aber Verwirklichung macht sie alle überflüssig. Wozu über Religion reden? Verwirklichung ist das einzig Notwendige. Religion kann verwirklicht werden. Wollt ihr sie innerlich erleben? Solange ihr Religion nicht innerlich erlebt habt, ist zwischen euch und dem Atheisten kein Unterschied. Der Atheist ist aufrichtiger, aber wer vorgibt, an Religion zu glauben und keinen Versuch macht, sie zu verwirklichen, ist ein Heuchler.

    Und wie Verwirklichen? Thich Nhat Hanh: Im Alltag betrachten wir die Wirklichkeit in ihrer Historischen Dimension, aber wir können dieselbe Wirklichkeit auch in ihrer Letztendlichen Dimension ins Auge fassen. Wir haben unsere raumzeitlichen Alltagsanliegen, doch jeder von uns hat auch seine letztendlichen Anliegen. Sind wir auf der Suche nach Gott, oder nach tiefstem Frieden, so befassen wir uns mit dem Letztendlichen. Wir kümmern uns nicht nur um die Fakten des täglichen Lebens – um Ansehen, Profit, unsere Stellung in der Gesellschaft und unsere Projekte – sondern machen uns auch Gedanken über unsere wahre Natur. Wenn wir in tiefe Meditation eintreten, bedeutet dies, dass wir uns der Verwirklichung unseres letztendlichen Interesses widmen. Wenn wir durch Meditation und Achtsamkeit den Geist ein wenig stabilisieren, hilft uns dies, unserer Angst ins Auge zu schauen.

    Und bin damit, auf der langen Suche nach unseren Wurzeln, ganz gut gefahren… 

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